09.06.2023 Horta, Faial, Azoren nach einer Überfahrt von 29 Tagen und zehn Stunden. 2169 Meilen für eine Strecke von 1780 Meilen zurückgelegt.

Am 20.5., nach 12 Tagen Fahrt, hatten wir unser Bergfest für die halbe Distanz der Überfahrt von Bermuda zu den Azoren gefeiert und es war uns dabei schon klar, dass dies nicht unbedingt auch die Hälfte der Fahrt sein würde. Tatsächlich, die zweite Hälfte erforderte sogar gut 17 Tage, denn das Wetter war extrem ungünstig für uns. Knüppeldick kam es gleich nach der Halbzeit, in den 6 Tagen vom 22. – 27. Mai hatten wir gerade einmal an zwei von den 144 Stunden einen halbwegs normalen Segelwind, und den auch noch auf die Nase. 142 Stunden waren entweder totale Flaute oder Schwachwind von weniger als 10 Knoten, der das Schiffchen nur mit Mühe und sehr langsam fortbewegt. Da wir anfangs noch Treibstoff für etwa 300 Meilen in Tank und Kanistern hatten, stellte sich die Frage, ob wir uns damit aus der Falle der Großflaute des Azorenhochs befreien könnten, doch blieb zu bedenken, wie die fehlenden 700 Meilen zu bewältigen wären, ohne wieder hängen zu bleiben. Das haben wir intensiv diskutiert. Uli verfolgte die Linie, eher abzuwarten, um die möglichen Motormeilen wie Joker beim Rommee bevorzugt am Schluss einzusetzen und das letzte Teilstück zu sichern. Alice war eher dafür, größere Anteile des Treibstoffs perspektivisch einzusetzen, um in den Wettervorhersagen angekündigte Windsysteme anzusteuern, damit es endlich weitergeht. Die beiden Positionen waren nicht so leicht unter einen Hut zu bringen, doch am 25. Mai erschien endlich ein Westwindfeld in halbwegs erreichbarer Nähe. Morgens um 9 Uhr wurde der Diesel angeworfen und dann brummten wir 2 ½ Tage lang oder 59 Stunden nach Westen bis unser Zeitlimit zum Erhalt eines ausreichenden Treibstoffrests erschöpft war. Dummerweise hatte der Westwind Verspätung. Von 20 Uhr am 27.5. bis 02 Uhr am 28.5. ging erst einmal wieder nichts außer Dümpeln, doch dann setzte die ersehnte Luftbewegung ein. Ab 6 Uhr endlich mit merklicher Fahrt, ab Mittag zeigte das Tiefdruckgebiet dann bis 16 Uhr seine Kraft mit Starkwind und Regen aus Südwest bis hin zu kraftvollen 32 Knoten. Danach ging es erst wieder friedlicher zu, bis uns am nächsten Tag wieder 14 Stunden lang ein Starkwind aus Nordwest über den Ozean schob. Natürlich sind solche Reiseabschnitte anstrengend, denn der Seegang wächst sich in wenigen Stunden zu imposanten Wellengebirgen aus, die das Schiff sehr unregelmäßig und teils heftig hin und her werfen. Bei der zweiten Starkwindphase war das dann so wüst, dass Alice auf ein fast eisernes Morgenritual verzichtete: der frisch gefilterte Kaffee zum Frühstück. Es gab nur Nescafé, doch den schon mit frischen Brötchen!

Seglerisch sind diese Phasen fast so sicher, wie die Abschnitte mit moderaten Winden, denn die schwere Beagle zeigte sich bei allen heftigen Bewegungen immer gut kontrolliert. Bei rechtzeitig gerefften Segeln bewältigte unser Windpilot auch die schwersten Böen dieser Phasen von 35 Knoten (Bft 8) und vermutlich noch merklich stärkeren, die wir nicht auf den Instumenten abgelesen hatten, weil wir im wilden Sturmgeheul und bei vibrierenden Segeln viel zu beschäftigt waren. Das ganze schöne Erlebnis mit ordentlichem Schiebewind hielt aber nur 1 ½ Tage an und dafür hatten wir 2 ½ Tage motort. Kein guter Ertrag! Der Wind drehte dann auf Ost bis Südost, also genau gegen an! Erst mäßig, teilweise auch schwach und dann beschleunigte er in den Starkwindbereich von 20 – 31 Knoten und das für 22 Stunden! Wieder entwickelte sich der Seegang heftig. Da wir aber diesmal gegen den Südost ansegeln mussten, trafen uns die Wellen viel stärker, weil sich unsere eigene Geschwindigkeit zur Wellengeschwindigkeit addierte, während sie bei Backstagsbrisen davon abgezogen wird. Unsere Dreistundenwachen waren jetzt gerade in der Nacht sehr anstrengend. Nach einiger Zeit hatten wir aber ein gewisses Gefühl der Wurschtigkeit erreicht. Es war uns ganz recht, dass wir die sehr großen Wellen in der Dunkelheit nicht mehr sahen. Die steilen Wasserberge konnten uns nicht mehr beeindrucken. Wir hatten längst gelernt und akzeptiert, dass Beagle immer irgendwie unbeeinträchtigt über die Monster kletterte!

Nach diesem Härtetest für mutige Senioren erfolgte ein angekündigter Winddreher über Süd nach West, überwiegend schwach, doch segelbar, der uns bis auf 80 Meilen an Faial und Horta heranführte. Dann setzte wieder der so unbeliebte Ostwind ein. Kreuzen statt direkter Fahrt war wieder angesagt. Noch einmal 2 Tage gegen den Wind, bis am frühen Morgen des 6. Juni der Nordanteil so groß wurde, dass ein Anlegerkurs auf Horta möglich wurde. Als wir die Südküste von Faial erreichten deckte die Insel den NNO-Wind ab und der Diesel brachte uns zügig voran bis zur Engstelle des Kanals zwischen Faial und der Nachbarinsel Pico. Dort drehte der Wind in der Düse genau gegen an und erreichte bald wieder 25 bis deutlich über 30 Knoten. Dazu kam ein Gegenstrom, der es erforderte, dass wir die Maschine mit voller Kraft laufen lassen mussten, um gerade einmal mit 1 (!) Knoten Geschwindigkeit um die Halbinsel zu kriechen, die die Bucht von Horta begrenzt.

Nach der Ecke ging es bald wieder leichter, doch langsam schwand das Tageslicht. Wir hatten es schon geahnt, weil wir mitbekommen hatten, wie viele Schiffe von Bermuda aus zu den Azoren starteten. Hortas Hafen war übermäßig voll! Das galt auch für den Ankerbereich hinter der großen Mole. Im Restlicht konnten wir die nahen Ankerlieger identifizieren und uns daneben bei viel Wind positionieren. Netterweise saß der Anker sofort fest. Uffff! Kurz klar Schiff gemacht und dann endlich das vorsorglich gekühlte Landungsbier gezischt. Wir waren nach 29 Tagen und 10 Stunden, einer negativen Rekordzeit, auf den Azoren angekommen. Außer den vielen Flauten und dem Gegenwind haben uns die schwachen Segeleigenschaften unserer Beagle beim Kreuzen gegen den Wind so langsam gemacht. Das wissen wir aber schon lange und meistens ist uns das auch nicht so wichtig, denn Beagle ist ein gemütliches und sicheres Schiff. Dieses Mal ist es aber grenzwertig geworden!

Am nächsten Tag nachgefragt, wie es mit einem Platz in der Marina ist. Nein, jetzt nicht, wir haben eine lange Warteliste. 2 Tage später konnten wir dann rein. Jetzt können wir die gröbsten Spuren der heftigen Passage angehen, der uns bestens bekannte Mid Atlantic Yacht Service um die Ecke unterstützt uns dabei professionell. Und dann gilt es erst einmal die Schiffsvorräte wieder für die nächste Langetappe aufzufüllen. Vermutlich geht es nach Falmouth, UK.

Eine zusammenfassende Bewertung der Fahrt:

Es war definitiv der anspruchsvollste Törn, den wir bislang unternommen haben.

Wir hatten mit etwa 3 Wochen Fahrzeit gerechnet und die Vorräte so bemessen, dass wir auch 4 Wochen gut überstehen. Beim Wasser gab es noch eine Sonderreserve für Notfälle. Unsere Versorgungssituation war bis zum Schluss bestens, wenn auch nur noch eine Salami, Philadelphia Frischkäse, Margarine und eine Marmelade für die Brötchen verfügbar waren. Die Kartoffeln waren verbraucht, doch Reis, Nudeln, Tomaten in Dosen, Mehl, Margarine und natürlich Wasser waren bis zum Schluss da. Bonbons, Schokolade und geröstete Erdnüsse waren uns aber ausgegangen. Unglücklicherweise biss nur ein übergroßer Thunfisch an der Angel an, der nicht zu bewältigen war und ein mickeriger Drückerfisch. Das Zubrot unterwegs an frischem Fisch fiel leider aus. Der mittlere Nordatlantik scheint weitgehend leergefischt.

Bei der Fahrt war die psychische Herausforderung in der großflächigen Flaute des Azorenhochs besonders spannend, in der wir tatsächlich, wie die historischen Segler, hätten hängen bleiben können. Ein weniger glücklicher Segler als wir setzte einen verzweifelten Notruf an den Hafen Horta am Tage vor unserer Ankunft ab, weil er bei starkem Wind vor dem Hafen keinen funktionsfähigen Motor mehr zur Verfügung hatte und nicht mehr sicher anlegen konnte. Besonders geholfen hat uns in dieser Situation die exzellente Unterstützung von Jule zur Großwetterlage auf dem Atlantik. Es kann aber festgestellt werden, dass langfristige Vorhersagen zum Wetter nicht sehr verlässlich waren.

Auch die physische Belastung in Teilen der Reise war groß. Die teils heftigen Starkwindfahrten forderten uns viel Kondition ab und wir waren am Ende unserer Wachen stets recht platt. Da wir jedoch in keinem Fall in irgendwelche kritische Situationen geraten waren, hatten wir im Anschluss immer das Gefühl, deutlich gestärkt aus der Sache herausgekommen zu sein. Das tat richtig gut!

Alles bestens also! Die nächsten Herausforderungen können kommen.

Vorräte für 3 – 4 Wochen sind verstaut

Der erste Fliegende Fisch der Reise, ein Winzling

An der kräftig gebogenen Angel hängt vermutlich ein ganz dicker Thun, den Uli nicht nach oben ziehen konnte. Da wir Fische über 10 Kg zu zweit ohne Gefrierschrank nicht ausreichend nutzen können, wurde die Schnur gekappt.  

Mit dem Iridium-Satellitenhandy holen wir täglich unsere Wetterinfos

Ein Gribfile (Rasterdarstellung) der Firma Wetterwelt in Kiel. Sie werden jeweils für 5 Tage im 3-Stunden-Abstand geliefert. Man sucht seinen Ort und den geplanten Weg in den nächsten Tagen. Die Darstellung oben links bedeutet 25 Knoten (Bft 6) Mittelwind, Böen bis 34 Knoten (Bft 8) aus Nordost, wolkig, Wellen im Mittel 3,1 m hoch. Dort pfeift es also ordentlich und man wird gut durchgeschüttelt. Wir haben am 10.5. eines der angezeigten Gewitter abbekommen. Gut gerefft kein Problem.

Flaute mit Buckelwal

Totalflaute im Kern des Azorenhochs

Seefahrerin genießt schönes Wetter, träumt aber vom Wind

Portugiesische Galeere (Segelqualle)

Kapitale Goldmakrelen umkreisten die treibende Beagle, ignorierten aber alle Angelköder. Unten ein kleiner Begleiter.

Der Graue Drückerfisch war zu neugierig. Gerade einmal eine knappe Portion.

Flautendrift 1

Flautendrift 2

Mit Motorkraft raus aus der Flaute

Sonnenaufgang auf der Motorfahrt in den Osten

Mondnacht

Bei frischem Wind macht es mehr Spaß

Jeden Morgen frische Brötchen

Lecker!

Schwerwetterfahrt bei vollen 7 Bft  bis zu 22 Stunden am Stück. Bei gut eingestellten Segeln kein Problem, der Windpilot hat die Sache perfekt im Griff!

Auch in der Dämmerung reizvoll!

Ein stark gerefftes Vorsegel reicht bei 25 – 30 Knoten (6 – 7 Bft) Wind völlig aus, die schwere Beagle flott voranzubringen

Ab und zu fetzt Gischt durchs Cockpit

Bei viel Lage im Schwerwetter muss man sich beim Kochen ordentlich festhalten und mit dem Hinterteil am Niedergang verkeilen

Plot der letzten zwei Tage Fahrt nach Horta mit Kreuzschlägen gegen den Starkwind aus Ost bis Nordost, der erst ganz zum Schluss auf Nord drehte. Die grünen Dreiecke zeigen die Positionen anderer Schiffe im Revier.

Die letzte Strecke in der Düse zwischen Faial und Pico muss man mit der Hand steuern

Gestopft voller Hafen Horta

Massenbewuchs junger Entenmuscheln auf den Steuerschwert unserer Wind-Selbststeuerungsanlage als Mitbringsel der Fahrt

Begrüßungsessen Azoren im Ankerfeld des Hafens von Horta: Riesengarneelen mit Tomatensalat und endlich wieder ein frisches Bier, denn unterwegs reisen wir vollständig trocken, was alkoholische Getränke angeht.

Pico schaut von der Nachbarinsel aus zu

Ein Gedanke zu „09.06.2023 Horta, Faial, Azoren nach einer Überfahrt von 29 Tagen und zehn Stunden. 2169 Meilen für eine Strecke von 1780 Meilen zurückgelegt.

  1. Ursel & Hannes

    Ja, das erklärt natürlich so einiges, was für eine spannende Tour. Da kann ja auf dem weiteren Turn nichts Euch mehr überraschen. Wenn ihr wieder in Forchheim seid müssen wir dringend über die Brötchen sprechen!

    Weiter eine sichere Reise

    ursel & hannes

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