Archiv für den Monat Mai 2023

20.05.2023 Bergfest mitten auf dem Atlantik, noch 900 Meilen bis Horta, Azoren

Nun sind wir schon 12 Tage unterwegs und haben 950 Meilen hinter uns. Die 900 Meilen bis Horta gelten allerdings nur auf dem direkten Kurs dorthin und der wird uns leider nicht möglich sein. Die Windvorhersage beschert uns im Moment ein Schwachwindfeld und danach kräftigen Ost- bis Nordostwind bedingt durch das beliebte Azorenhoch, das euch in der Heimat das schöne Wetter bringt. Wir würden es gerne etwas verschieben, denn Kreuzen gegenan ist mit der Beagle nicht das Mittel um vorwärts zu kommen. Es werden also sicher viele Meilen mehr sein und etliche Tage zusätzlich bis zum Ziel. Wir haben heute unsere Vorräte genau durchgecheckt und können damit locker noch 3 Wochen aushalten, aber das wollen wir nun doch nicht. Die leckeren süßen und salzigen Knabbersachen sind schon aufgeteilt, damit wir nicht jetzt schon alles verputzen, denn in den Nachtschichten sind solche Leckereien sehr nötig!
In der Nacht kam dann auch ein sehr heftiges Gewitter bei einem Wetterwechsel. Schon am Nachmittag hatte es bis 30 Knoten (Bft 7) aufgebrist. In der Wache von 11 – 02 Uhr von Alice gab es erst Wetterleuchten und dann Blitze. Im Radar tauchte dann eine große Wolke hinter uns auf, die in der folgenden Wache von Uli uns mit heftigen Starkregenböen einholte. Die große Wolke blieb 2 ½ Stunden über uns mit Regenböen zwischen 25 und 35 Knoten, die Material und Crew kräftig herannahmen. Interessante Strömungen konnten wir am Tag danach beobachten, als wir für 16 Stunden beigedreht hatten bei totaler Flaute. Wir trieben auf einem Kreisborgen wohl bedingt durch einen sogenannten Eddy (Kreisförmige Stromwirbel die von einem großen Strom seitwärts abzweigen). Unser Dieselvorrat reicht noch für ca. 300 Meilen, aber den sparen wir bis kurz vor Horta um dann mögliche Flauten zu überwinden. Uli hatte am 18.5. zum ersten Mal seit der Karibik einen heftigen Biss an der Angel. Der Fisch zog gut 300 Meter Schnur ab, sogar gegen die Feststellbremse. Nach über einer halben Stunde Drill, bei dem das Tier immer wieder in die Tiefe abtauchte, war klar: der Bursche, wahrscheinlich ein großer Thun, ist zu groß! Den bekommen wir nicht an Deck. Schweren Herzens hat Uli die Schnur gekappt, schade!!! Leider hat er sich auch nicht an der Oberfläche gezeigt. Auch sonst sind wenig Lebewesen zu sehen, ab und zu einzelne Sturmvögel und viele Portugiesische Galeeren (Segelquallen) aber bisher keine Delfine oder Wale. Unsere Wettervorhersage kommt wieder reibungslos über Iridium-Handy auf den Laptop nach kurzzeitigen technischen Problemen und wir werden ganz toll versorgt mit dem großen Überblich über das Atlantikwetter von Jule Lürkens aus unserem Segelclub in Eckernförde. Dafür sind heutzutage die Möglichkeiten via Satellit einfach großartig. Jetzt erarbeiten wir uns die zweite Hälfte bis Horta wacker und mit guter Laune und melden uns hoffentlich bald!

05.05.2023 St. Georges Marina, Bermuda, Vorbereitungen für die Fahrt zu den Azoren

Heute konnten wir erstmals in die St. Georges Marina fahren, weil die Crew der Aurora von Altona so nett war, uns einzuladen, längsseits zu gehen. Herzlichen Dank dafür! Wir freuen uns besonders auf die Duschen nach einer 11-tägigen Überfahrt und einer Woche am Anker. Auch die Ergänzung der Vorräte ist hier viel einfacher. In ein bis zwei Tagen sollten wir abfahrtbereit sein und ablegen können, wenn der Wind für die Fahrt zu den Azoren passt!

Schon bei der Ankunft im Bermuda-Archipel war klar, dass wir keinen Schnellstart zu den Azoren wollten. Regeneration nach der anspruchsvollen Anreise war angesagt, das Wetter war schön und die Inseln mit ihrem ganz speziellen Stil des British Way of Life sind wirklich eine Reise wert und dafür muss man etwas Zeit einplanen. Die ersten zwei Tage waren den notwendigen Dingen nach einer längeren Fahrt gewidmet wie der Wäsche, einem ordentlichen Klar-Schiff und dem Auffüllen der Vorräte, doch beim Blick aufs Wetter wurde es kritisch weil ein deutlicher Wechsel bevorstand. In den südlichen USA baute sich ein massiver Tiefdruckkomplex auf, der sich anschickte, nacheinander eine Reihe von wetteraktiven Tiefdruckfronten zu uns zu schicken. Die Windvorhersagen wurden dabei immer ruppiger. Ab Montag, den 1. Mai sollten diese Fronten etwa im 2-Tage-Rhythmus bis zum nächsten Wochenende über uns hinwegrauschen. 20 – 30 Knoten, das sind 5 – 7 Bft waren angesagt, in den eingebetteten Squalls sollte es sogar bis 40 Kn geben, das sind volle 8 Bft. Wir beschlossen daraufhin, den eigentlich für später geplanten Besuch der Hauptstadt Bermudas, Hamilton, auf Sonntag, den 30.4. vorzuziehen. Dort sind größere Supermärkte angesiedelt, die das nicht sehr breite Angebot in St. George, um für verwöhnte Mitteleuropäer interessante Lebensmittel zu ergänzen. Das hat gut geklappt, wenn auch die geradezu fantastischen Preise Bermudas ernüchtern. Über 300 US $ waren für einen halb gefüllten Einkaufswagen fällig! Der Busverkehr auf Bermuda ist im Stundentakt bestens organisiert. Die Fahrten über die Längsachse der Hauptinseln sind eine echte Schau. Landschaften, eingebettete Buchten mit blauem Wasser und faszinierende Landschafts- und Hausgärten insbesondere nahe und am Rand von Hamilton könnten eine ganze Reihe von Gartenmagazinen füllen. Hamilton selbst zeigt die Charakteristika der britischen Insel-Steueroasen. Jede Menge repräsentative Gebäude mit den Insignien internationaler Unternehmen und Konzerne, doch kaum echten Konzernzentralen. Alles hervorragend gestylt und gepflegt, aber nicht wohnlich wie eine „normale“ Stadt. Die Einkäufe konnten wir in unser Dinghi verladen und dank des moderaten Wetters trocken zur Beagle schippern.

Ein Wort noch zu den in der Karibik und den angrenzenden Gebieten wie Bermuda verfügbaren Lebensmitteln. Der amerikanische Markt und seine Gesetze bestimmen hier die Regeln. Nur die europäisch beherrschten Inseln haben zumindest teilweise auch europäische bzw. britische Produkte im Angebot. Dennoch versuchen wir seit der DomRep vergeblich, normale h-Vollmilch für unseren Kaffee zu kaufen. Es wird ausschließlich „angereicherte“ Vollmilch angeboten, die meist mit den Vitaminen A und D, sowie mit Folsäure und einer Eisenverbindung versetzt ist. Wenn man derartige Zugaben für unsinnig hält – keine Chance, dem zu entkommen! Genauso ist es uns mit dem Mehl ergangen. Auch dies ist nicht in naturbelassener Form erhältlich. Wieder werden meist Folsäure und Eisen, sowie Niacin, Riboflavin und Thiamin-Monocitrat zugemischt, ohne das Naturprodukt anzubieten. Folsäure und Eisen werden einem also gleich mit zwei verschiedenen Grundnahrungsmitteln aufgezwungen. Dass daneben eine Unzahl von Produkten angeboten werden, die irgendwelche Komponenten wie Gluten, Lactose und Xyz dezidiert nicht enthalten, verwundert dann nicht mehr. Verdutzt waren wir aber, dass der Begriff Margarine in den USA offensichtlich so negativ besetzt ist, dass er konsequent umgangen wird etwa mit „Buttery Spread“ oder „Earth Ballance Spread“ . Dabei wird in der Regel so viel Wasser mit Emulgatoren eingearbeitet, dass Pflanzenfette nicht zwingend den Hauptbestandteil der Produkte bilden. Eine Margarine, die sogar mehr Wasser als Fette enthält wird tatsächlich angeboten. Diese kann man unserer Meinung nach nur noch als technologisches Kunstprodukt verstehen, kaum noch als wertiges Lebensmittel. Vergleiche dieser Art versöhnen zumindest teilweise mit den nicht immer überzeugenden Regularien der EU für Lebensmittel.

Schon am Samstag, den 29. April wurde es recht böig und wir hatten längere Phasen mit 20 – 25 Kn, also 5 – 6 Bft. Wir saßen gegen 16 Uhr gerade im Cockpit beim Kaffee als es kräftig rumste und das Schiff einen abrupten Schlenker vollführte. Elektrisiert aufgesprungen sahen wir ein Nachbarschiff, dessen Bugkorb sich mit unserem verhakt hatte. Die aktuelle Bö hatte ihren Anker ausgebrochen, das Schiff war auf Drift gegangen und hatten uns gerammt! Ulli flitzte zum Bug, um die Schiffe möglichst rasch voneinander zu lösen und Alice startete die Maschine, um für Notmanöver vorbereitet zu sein. Beide Crews zerrten an den Schiffen und einem Fender des anderen Schiffs, dessen Tampen sich bei uns verklemmt hatte. Dabei konnten wir feststellen, dass unser Anker beide Schiffe fest vor Ort hielt. Große Klasse! Der Fender konnte schließlich freigezerrt werden und das fremde Segelboot wurde vom eigenen Anker zur Seite gezogen ohne weiteren Kontakt zwischen den Schiffen. Man sagte uns dann, wir melden uns später und weg waren sie, allerdings für immer! Nicht ganz die feine englische Art. Bei der Kontrolle unseres Bugs war aber kein Schaden festzustellen. Es war wieder einmal mit viel Glück alles gut gegangen! 

Am Montag, den 1. Mai schlug das Wetter dann richtig um. Zwar wurden die angekündigten 40 Kn nicht erreicht, weil uns kein Squall überquerte, doch dauerhafte 5 – 7 Bft aus West erzeugten in der St. Georges Bay eine kräftige Welle, die wir mit unserem kleinen Dinghy nicht mehr sicher beherrschen können. Wir blieben also an Bord. Am Nachmittag dann eine blöde Sache. Eine über 20 m lange Yacht schmeißt in unserer unmittelbaren Umgebung so ihren Anker, dass das Schiff direkt über unserem Anker seine Ruheposition findet. Damit waren wir vollständig blockiert, denn wir benötigen die Position über dem Anker, um für eine Fahrt diesen aus dem Grund ausbrechen zu können. Lautstarke Einsprüche unsererseits noch während des Ankerns blieben ohne Folge. Nachdem der Skipper des Boots in aller Ruhe zum Einklarieren beim Zoll an Land war, kam er tatsächlich mit seinem großen Dinghy bei uns vorbei um uns zu erklären: Hello – no problem – stay cool – the wind will change its direction…., was wir nach dem Abenteuer vom Samstag nicht überzeugend fanden und weiter darauf bestanden, dass er umankern müsse. Freier Platz war reichlich vorhanden. Schließlich wurden wir ihm wohl zu nervig und man verholte an die andere Seite der großen Bucht. Dass das Schiff den Namen „Blow“ trug, war möglicherweise kein Zufall.

Am Dienstag, den 2. Mai war es vormittags mit 4 – 5 Bft noch so ruhig, dass wir zwei Einkaufsrunden realisieren konnten. Das reichte jedoch noch nicht aus, insbesondere das benötigte Trinkwasser in PET-Flaschen aber auch das für unsere täglichen Brötchen benötigte Mehl in ausreichender Menge für den Azorentörn zu bekommen. Am Nachmittag drehte es dann wieder auf 5 – 7 Bft auf und das ging über Nacht so weiter, bis uns am Mi. früh ein kräftiges Gewitter mit heftigstem Platzregen und starken Böen weckte. Nach dem Frühstück das nächste Gewitter wieder mit vollem Programm und der Starkwind blieb fast den ganzen Tag mit einer kleinen Pause am Spätnachmittag. Gegen Abend wurde es wieder heftig mit einem weiteren Gewitter und wegen einer Warnung von Radio Bermuda vor 40 Kn Wind in der Nacht haben wir dann unser Schwerwetterprogramm an Bord aktiviert. Wir behielten unsere Kleidung an und beide Plotter liefen die Nacht durch. Ansonsten vertrauten wir dem bislang perfekten Ankerverhalten unseres Schiffes. Der Wind in der Nacht war sehr laut und die Welle schubste die Beagle hin und her, so dass unser Schlaf erst spät und sehr unruhig kam, doch blieb für uns alles im grünen Bereich und wir behielten unsere gute Laune. Bis zu 32 Kn konnten wir bei unseren Kontrollen am Steuerstand ablesen. Ob es zwischenzeitlich mehr war, wissen wir nicht, vielleicht haben wir es verschlafen. Beagle hatte jedoch seine Position perfekt gehalten. Am Do., und Fr., 4. und 5.5. blieb es wieder bei 5 – 7 Bft aus Westen und wir blieben entspannt an Bord in der Hoffnung auf eine Wetterbesserung am Wochenende. Die soll mit einem Hoch kommen, was nicht so günstig für unsere Reisepläne nach Osten sein könnte. Langfristvorhersagen deuten aber auf einen Windkorridor im Bereich des 32. Breitengrades. Wäre schön! Schauen wir mal, ob wir am Sonntag oder Montag genug Wind für den Start finden.

Für die etwa 2000 Meilen für die Fahrt nach Horta auf Faial/Azoren rechnen wir mit 20 – 25 Tagen, also gut 3 Wochen. Von der halben Strecke werden wir uns mit einem Zwischenbericht ohne Bilder melden.   

Das Zentrum von St. George, das Rathaus

Vor Anker in der St. Georges Bay bei Starkwind

Auch die Nachbarschiffe werden von Wind und Wellen hin- und hergeworfen

S/Y Blow (rot) fast genau über der Position unseres Ankers, der sich in der Mitte zwischen der aktuellen Position der Beagle (schwarz mit Kreuz) und den vorher eingenommenen Positionen bei Westwind (obere Mondsichel) und den Positionen beim anfänglichen Ostwind (untere Mondsichel) ergibt.

Hamilton

Mülleiner in Hamilton. Gehts noch edler?

Wetterlage westlicher Nordatlantik am 5. Mai 2023 0 Uhr UTC.

Bermuda liegt auf ca. 32 ° N und 65 ° W unten links als kleiner Fleck im Raster (Grib), das Zentrum des aktuellen Tiefs nordöstlich davon.

Die 4 rote Zacken der Windfahnen bei 35 – 36 ° N und um 60 ° W bedeuten 40 Knoten Mittelwind (Bft 8), die Werte um 60 unter den Fahnen kündigen Orkanböen (Bft 12) an, die dazwischen wehen. So etwas macht keinen Spaß mehr.

Der direkte Weg von Bermuda nach Osten auf 31 – 32 ° N sieht gar nicht schlecht aus. 1 ½ – 2 blaue Zacken versprechen mit 15 – 20 Knoten einen idealen Mittelwind und die Böen sind mit 20 – 30 Knoten gut beherrschbar.